GegrĂŒndet von der trans* Aktivistin und Antiquarin Charlotte von Mahlsdorf, war das GrĂŒnderzeitmuseum ein Treffpunkt fĂŒr viele queere Gemeinschaften in Ost-Berlin. Die Stimme der GrĂŒnderin und Direktorin fĂŒr 40 Jahre hallt in jedem MöbelstĂŒck wider, das sie aus verschiedenen Orten in Berlin sammelte â einschlieĂlich der gesamten Inneneinrichtung der Mulackritze, einer 1964 abgerissenen queeren Bar, die Charlotte persönlich nach Marzahn verlegte. Die KlĂ€nge der vielen Musikautomaten, die sie reparierte, vermischen sich mit den Stimmen der queeren Aktivist:innen, die sie unterstĂŒtzte, wie dem HIV-Aktivisten und Schauspieler Ichgola Androgyn und Mitgliedern der Homosexuellen Interessengemeinschaft Berlin (HIB). Auch heute noch, vom Keller bis zur Decke, hallt das Museum mit der gealterten Stimme von Charlotte wider, deren menschliche Botschaften heute genauso relevant sind wie zu ihrer Zeit.
Founded by trans* activist and antiquarian Charlotte von Mahlsdorf, the GrĂŒnderzeitmuseum was a gathering spot for many queer communities in East Berlin. The voice of its founder and director for 40 years resonates in each piece of furniture she collected from places all over Berlin â including the entire interior of the Mulackritze, a queer bar demolished in 1964, which Charlotte personally moved to Marzahn.The sounds of the many music machines she repaired blend with the voices of queer activists she supported, such as HIV activist and actor Ichgola Androgyn, and members of the Homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin (HIB). Even today, from the basement to the ceiling, the museum echoes with the aged voice of Charlotte, whose humane messages are as relevant now as they were in her time.
Time: 1960-1995
Lat: 52.502800890208,
Long: 13.614046427943
Published: 13.07.2024
Audio: Deutsch
Image: Picture of the GrĂŒnderzeitmuseum, © Pablo Santacaba LĂłpez
Directed by/Regie : Pablo Santacana LĂłpez.
With voices from/Stimme von: Ichgola Androgyn, Charlotte von Mahlsdorf, Andreas Schroeck, Beate Jung.
Extracts from/von Film âIch bin meine Eigene Frauâ, Rosa von Praunheim, 1992; 'HIB â âFrĂŒhlingsball im GrĂŒnderzeitmuseumâ 1977 (Homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin)â, Sonntags-Club Youtube Channel
Sound and Post-production/Sound, Ton und Technik Tobias PurfĂŒrst.
Charlotte [00:00:30] Ich möchte sagen, dass dieses alte Mahlsdorfer Gutshaus rund 200 Jahre alt ist. Seit 30 Jahren ist hier ein Museum. 1959 war das Haus eine Ruine. Ich konnte es ĂŒbernehmen, aber es gab kein Wasser, keine Heizung, keinen Strom. Ich habe alles selbst eingebaut. Jetzt zeigt das Museum Möbel und HaushaltsgegenstĂ€nde von etwa 1880 bis 1900. Schauen Sie sich die RĂ€ume an!
Ichgola [00:01:21] Charlotte ist ĂŒberall im Museum prĂ€sent. Es ist nicht nur ein Museum der GrĂŒnderzeit. Es ist das Museum der berĂŒhmten Charlotte von Mahlsdorf.
Charlotte [00:02:00] Ăber 30 Jahren lang habe ich mit meinen HĂ€nden alles gesammelt, was nun hier im GrĂŒnderzeitmuseum ist. Ich lebe hier wie eine Frau um die Jahrhundertwende.
Ichgola [00:02:19] Charlotte lebte in der Vergangenheit. Sie hat im Museum gearbeitet und alte GerĂ€te repariert. Sie war immer offen fĂŒr alle. Auch fĂŒr die homosexuelle Gemeinschaft, auch wenn HomosexualitĂ€t im Osten damals noch verpönt war.
HIB [00:02:56] Es war ein Partnerschaftsproblem. Es gab nicht das, was wir wollten.
Charlotte [00:03:01] Die DDR hatte die höchste Selbstmordrate.
HIB [00:03:04] Ja, sehr hoch.
Charlotte [00:03:06] Ja, ich hÀtte mich auch umgebracht. Aber wer hÀtte dann Staub gewischt? Und wer hÀtte die Uhren aufgezogen?
Ichgola [00:03:18] Das Museum war ein Anlaufpunkt fĂŒr Charlotte. Es gab auch Treffen.
HIB [00:03:24] Die homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin suchte 1973 RĂ€ume. Der Magistrat verweigerte uns diese. Charlotte bot uns an, im Keller ihres Museums ein Beratungs- und Kulturzentrum aufzubauen.
Voice- over [00:03:56] Der FrĂŒhlingsball am 14. Mai 1977 versprach gut zu werden. Er begann mit SackhĂŒpfen und anderen Spielen.
HIB [00:04:23] Wir nahmen das Angebot fast sofort an. Es gab Sonntagsveranstaltungen mit Literatur, VortrÀgen und Themen wie "Wie sage ich es meinen Eltern?". Man sollte hier auch Partner finden können.
Ichgola [00:04:55] Ich fand es schön und fĂŒhlte mich wohl in ihrem Haus. Charlotte rettete auch die Kneipe Mulackritze und erzĂ€hlte viel ĂŒber die freie SexualitĂ€t. Vor der Nazizeit gab es in Berlin ĂŒber 150 Lesbenkneipen und 300 Schwulenkneipen. "Queer" als Begriff kam viel spĂ€ter.
HIB [00:05:32] Prost! Charlotte wurde wie eine Familie fĂŒr uns. Wir kamen an und halfen im Haus, bis wir GĂ€ste empfangen konnten.
Charlotte [00:05:47] Ja, wir hatten einen Raum zum Tanzen, mit einem alten Grammophon und Schlagern der Jahrhundertwende.
Ichgola [00:06:08] Es ist toll, dass das Museum erhalten geblieben ist. Nach Charlottes Tod hÀtte alles abgerissen werden können, aber es blieb.
HIB [00:06:26] Prost!
Ichgola [00:06:32] Charlotte war besonders. Sie spielte keine Rolle, sie war eine Vorreiterin. Sie war leise und zurĂŒckhaltend, aber trotzdem stark. Sie machte sich nicht schick, sondern lebte einfach. Das fand ich bewundernswert.
Charlotte [00:07:08] Egal ob ich Rock und Bluse oder Hosen trage, die Leute wissen, wer ich bin.
Ichgola [00:07:25] Charlotte hat durch ihr hartnĂ€ckiges "Ich-bin-ich" gewonnen. Manche Leute sagen vielleicht immer noch böse Dinge wie "diese alte, schĂ€bige Tunte". Es gab auch GerĂŒchte, dass sie gelogen hat. Ich habe darauf geantwortet: Ihr seid doch alle zu ihr gegangen, um Geschichten zu hören. Sie hat euch welche erzĂ€hlt, egal ob sie stimmen oder nicht. Es gab auch das GerĂŒcht, dass sie ein Stasi-Spitzel war. Ich habe sie darauf angesprochen und sie sagte: "Ja, die Stasi kam zu mir." Man konnte nicht "nein" sagen, sonst kam man ins GefĂ€ngnis. Charlotte hatte GlĂŒck, dass HomosexualitĂ€t in der DDR nicht verboten war, aber sie war trotzdem in Gefahr. Sie haben auch versucht, sie wegen Schwarzmarkthandels zu bestrafen. Sie hat viele ihrer Sachen verschenkt, um Geld zu bekommen. Sie wurde tyrannisiert, aber sie hat es ĂŒberstanden. Sie war eine starke KĂ€mpferin.
Markisches Museum Direktor [00:09:30] Kollege Darfelde, Sie sollen letztes Wochenende auf einer Party in Frauenkleidern gesehen worden sein. Stimmt das?
Ichgola [00:09:38] Ja, ich hatte ein himmelblaues Kleid mit BordĂŒren, eine hĂŒbsche Perlenkette und eine goldblonde PerĂŒcke an.
Charlotte [00:09:49] Denken Sie daran, Sie arbeiten in einem stÀdtischen Institut. Vergessen Sie das nicht, sonst gibt es Konsequenzen.
Markisches Museum Direktor [00:10:00] Der Hass hat viel zerstört! Viele Schwule interessieren sich nicht fĂŒr die Geschichte. Ich sage immer: Ihr mĂŒsst die Geschichte kennen. Ihr mĂŒsst wissen, wer Magnus Hirschfeld war und den Hass der Nazizeit verstehen.
Ichgola [00:10:32] Es ist schlimm, wie brutal junge Menschen gegen uns waren. Ich habe versucht, die TĂŒr zuzuhalten, aber sie kamen mit Eisenstangen und BaseballschlĂ€gern. Es flogen Glasscherben und es stank nach Rauch. Sie haben ohne Hemmungen auf uns eingeschlagen. Wir kennen die Nazizeit nicht, aber wir mĂŒssen daraus lernen.
Charlotte [00:11:19] Wir wollen ein Zeichen fĂŒr Toleranz setzen. FĂŒr alle, nicht nur fĂŒr Schwule und Lesben, sondern auch fĂŒr Heterosexuelle. Es ist traurig, dass bei unseren Festen die Polizei dabei sein muss. Aber wir geben nicht auf und kĂ€mpfen weiter fĂŒr Toleranz.
Ichgola [00:11:59] Die politische AktivitĂ€t der Schwulenbewegung begann in den spĂ€ten Sechzigern wieder. Es gab Gruppen wie die HAW und die AHA. Dann kam das SchwuZ und der Film von Rosa von Praunheim "Nicht der Homosexuelle ist pervers". FrĂŒher fĂŒhlten sich viele nach jedem Sex schmutzig und schuldig. Ich habe beschlossen, so viel und so wilden Sex zu haben, dass ich mich nicht mehr schmutzig fĂŒhlen kann. Charlotte lebte in der DDR und hat einfach ein leerstehendes Haus besetzt und daraus ein Museum gemacht. Man kann es schaffen, wenn man es einfach tut.
Charlotte [00:13:28] Jetzt ist aber genug erzĂ€hlt. Zum Schluss möchte ich sagen: Das, wofĂŒr ich in meinem Leben gelebt habe, war, euch, den nĂ€chsten Generationen, das Leben zu erleichtern. Und vergesst nicht: mein Haus!
Charlotte (song Farewell) [00:13:54] Haus. Haus! Haus! Mein Haus! Haus! Haus. Haus. Mein Haus! Haus. Haus. Mein Haus! Haus! Haus! Haus! Mein Haus! Haus! Haus. Haus! Haus! Haus! Also, dazu muss ich mal sagen,Tanzt! Tanzt! Also, dazu muss ich mal sagen, Tanzt ! Tanzt! So meine Lieben. Tanzt Tanzt ! Ist das schön. Das ist es, spaĂig, traurig, schön! also, dazu muss ich mal sagen. Tanzt! Und natĂŒrlich nicht zu vergessen, mein Haus. Mein Haus. Mein Haus. Mein Haus. SpaĂig, traurig, schön. So, meine Lieben, auf los geht's Los! Mein Haus. Mein Haus. Haus, Haus. Haus. Haus, Haus. Haus Haus. Haus, Haus, Haus, Haus! So, nun hĂ€tte er mal in die Walze rein.
Charlotte [00:00:30] Ich möchte als Vorwort nur sagen, dass dieses alte Mahlsdorfer Gutshaus rund 200 Jahre alt ist. Es beherbergt jetzt seit 30 Jahren dieses Museum. Es war 1959 eine totale Abrissruine. Ich konnte es ĂŒbernehmen, aber hier war kein Wasser, keine Heizung, kein Strom. Ich habe alle diese Dinge selbst eingebaut und (das Museum, Anm. d. R.) beherbergt jetzt eine Ausstellung von Möbeln und HaushaltsgegenstĂ€nden. Der sogenannte GrĂŒnderzeit, etwa von 1880 bis 1900. Sie können sich dann bitte schonmal die RĂ€ume anschauen. .
Ichgola [00:01:21] Es ist die Geschichte von Charlotte, die ĂŒberall prĂ€sent ist. Im Flur und ĂŒberall ist Charlotte prĂ€sent. Also es wird nicht ignoriert. Es ist nicht ein pures GrĂŒnderzeitmuseum, sondern es ist das GrĂŒnderzeitmuseum der berĂŒhmten Charlotte von Mahlsdorf.
Charlotte [00:02:00] In ĂŒber 30 Jahren habe ich mit meinen zwei HĂ€nden das alles zusammengetragen, was nun hier das GrĂŒnderzeitmuseum als Dorf ist. Und hier lebe ich auch wie eine Frau um die Jahrhundertwende.
Ichgola [00:02:19] Charlotte lebte ja in der Vergangenheit. Charlotte hat im Museum gearbeitet, da alte GerĂ€te, von denen kein Mensch eine Ahnung hatte, wieder repariert musste â und alles, was mit irgendwelchen Werken zu tun hatte: Uhren und Musikinstrumente und so etwas. Ich glaube, sie war immer offen fĂŒr alle, auch fĂŒr die Community. Auch zu der Zeit noch, wo die HomosexualitĂ€t im Osten nicht mehr kriminell war, aber verpönt.
HIB [00:02:56] Es war ein Partnerschaftsproblem. Aber sie sind nicht aufgefangen worden. Es gab eben nicht das, was wir wollten.
Charlotte [00:03:01] Die DDR hat ja die höchste Selbstmordrate.
HIB [00:03:04] Eine sehr hohe.
Charlotte [00:03:06] Sehr hohe. Ja, ja, ich hÀtte mich ja auch umgebracht. Aber wer hÀtte dann Staub gewischt und die Uhren aufgezogen?
Ichgola [00:03:18] Das hat ihr ja auch einen Anlaufpunkt geboten in ihrem Leben. Da gab es ja auch Treffen.
HIB [00:03:24] Ja, also die homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin (HIM, Anm. d. R.), die sich 1973 grĂŒndete, suchte zu dem Zeitpunkt natĂŒrlich auch RĂ€ume und der Magistrat hatte uns das verweigert mit der BegrĂŒndung, wir seien eine Kategorie, die nicht im Sozialismus gefördert wird. Und zu dem Zeitpunkt, also einige Zeit danach, stieĂen wir auf Charlotte, die uns dann anbot, in ihrem GrĂŒnderzeitmuseum, in den KellerrĂ€umen fĂŒr uns ein Beratung- und Informations- und Kulturzentrum aufzubauen.
Voice- over [00:03:56] Der FrĂŒhlingsball am 14. Mai 1977 verspricht gut zu werden. Er beginnt mit SackhĂŒpfen und Bumsen. Das letztere hat nichts mit dem so ĂŒblichen VergnĂŒgen gemein. Man muss sich hier ganz schön beherrschen, um ein Tor zu erzielen.
HIB [00:04:23] Das nahmen wir dann auch fast sofort auf Anhieb an. Das waren in erster Linie Sonntagsveranstaltungen, in denen dann Literatur, VortrĂ€ge â Hubert Fichte zum Beispiel â oder Charlotte machte was ĂŒber Magnus Hirschfeld. Oder mal ein Thema âie sage ich es meinen Eltern?â Und dann natĂŒrlich auch die Vorstellung, dass das hier RĂ€ume sein sollten, wo man auch einen Partner finden kann.
Ichgola [00:04:55] Ich fand das total schön und ich habe mich da in ihrem Haus auch wohlgefĂŒhlt. Sie hat ja auch diese Kneipe gerettet â die Mulackritze.Und auch die Geschichten ĂŒber die freie SexualitĂ€t! DarĂŒber hat sie ja viel erzĂ€hlt. Und wenn du bedenkst â vor der Nazizeit muss es in Berlin ĂŒber 150 Lesbenkneipen und an die 300 Schwulenkneipen gegeben haben. âQueerâ â die Bezeichnung â ist ja sehr viel spĂ€ter erst erfunden worden.
HIB [00:05:32] Prost! ErgĂ€nzend zu dem, was wir am meisten erwarteten: Charlotte wurde im Prinzip auch sowas wie eine Familie. Weil wir kamen gestern Nachmittag an â Charlotte was hast du denn? âhier ist eine Steckdose zu reparieren â da ist Holz zu sĂ€gen.â Und dass wir dann am Nachmittag soweit waren,, dass wir GĂ€ste empfangen haben, dass wir alles aufgebaut haben.
Charlotte [00:05:47] Ja, und da hatten wir dann auch einen richtigen, schönen Raum, wo man tanzen konnte. Ja, sicher. Wir hatten hier das alte Grammophon, natĂŒrlich mit den Schlagern der Jahrhundertwende.
Ichgola [00:06:08] Toller Ort und vor allen Dingen, dass er erhalten geblieben ist. Das hÀtte ja auch nach ihrem Tod gleich alles in den Keller gehen können. Das Ding wird abgebrochen, da wird ein Hochhaus hingesetzt und und und. Und insofern ist es erhalten worden.
HIB [00:06:26] StöĂchen, Prost !
Ichgola [00:06:32] Sie spielte keine Rolle. Sie war Vorreiter in vielen Sachen und sie ist als Mensch sehr, sehr filigran und leise und zurĂŒckhaltend und trotzdem stark dominant. Durch dieses Minimalistische. Sie hat sich ja auch nicht schick gemacht oder angemalt und schöne Klamotten angezogen, sondern sie lebt so, wie sie lebte: nur mit der KittelschĂŒrze. Und das fand ich bewundernswert.
Charlotte [00:07:08] Wissen Sie, ob ich nun mit Rock und Bluse oder mit Hosen auf der StraĂe laufe â das ist eins, so wie das andere. Die Leute, die mich sehen, wissen ja doch, wer oder was ich bin.
Ichgola [00:07:25] Durch dieses penetrante âIch-bin-ichâ hat sie einfach den Kampf gewonnen. Es gibt natĂŒrlich vielleicht immer noch irgendwelche Hardcore-Machos, die sagen âdiese alte, schĂ€bige Tunteâ oder so was.
Und dann kam ja auch sowas vonwegen "ihr ganzes Leben sei doch alles nur gelogen gewesenâ, und so was. Und dann habe ich gesagt Ihr seid ja alle hingegangen. Ihr wolltet immer Geschichten hören. Sie hat euch welche erzĂ€hlt. Und mir ist es egal, welche stimmen und welche nicht stimmen. Aber da gab es ja auch so eine Aktion, weil sie vermeintlich Stasispitzel gewesen wĂ€re. Und ich habe sie daraufhin auch angesprochen, was das fĂŒr ein Blödsinn ist. Und sie sagte, âJa, die waren gekommenâ. Und ich habe auf spĂ€teren Diskussionen den Leuten immer gesagt, das ist ja nichts, wofĂŒr man sich beworben hat. Wenn die kamen und du sagtest auch âDankeschön fĂŒr das Angebot, aber ich möchte das nichtâ,Dann warst du schon im Knast. Also du konntest das nicht ablehnen. Ich meine, sie hatte GlĂŒck, dass HomosexualitĂ€t in der DDR nicht verboten war. Aber sie hat sich einer groĂen Gefahr ausgesetzt. Auch sie haben dann ja ĂŒber angeblichen Schwarzmarkthandel versucht, sie so zu bekommen, dass sie kriminalisiert wird. Und das haben sie ja auch nicht geschafft. Sie hat dann ja auch massenhaft von ihren Sachen einfach verschenkt, weil das sollte ja als Startkapital dienen. Also sie ist schon tyrannisiert worden, aber hat das alles in der KittelschĂŒrze ĂŒberstanden. Also sie ist schon eine ganz starke KĂ€mpferin gewesen. Ja, so einen Kampf kĂ€mpft keiner. Das war ja eigentlich eine Inszenierung, die man fĂŒr einen Tag war. Aber nein, sondern sie lebte Jahre lang am StĂŒck.
Markisches Museum Direktor [00:09:30] Kollege Darfelde. Sie sollen letztes Wochenende auf einer Party in Frauenkleidern gesehen worden sein. Das ist doch nicht wahr.
Ichgola [00:09:38] Doch, Ich hatte einen himmelblaues Kleid an mit BordĂŒren, dazu eine hĂŒbsche Perlenkette und eine goldblonde PerĂŒcke.
Charlotte [00:09:49] Ich möchte Sie daran erinnern. Sie arbeiten in einem stĂ€dtischen Institut. Bitte vergessen Sie das nicht. Andernfalls mĂŒssen wir uns ĂŒberlegen, ob wir nicht entsprechende Konsequenzen ziehen mĂŒssen.
Markisches Museum Direktor [00:10:00] Und was der Hass wieder alles zerstört hat !. Na und viele Schwule interessieren sich gar nicht fĂŒr die Geschichte. Und ich sage immer, âIhr mĂŒsst zumindest bis Hirschfeld zurĂŒck und die Geschichte hier in Deutschland kennen â und das nachfĂŒhlen, was da in der Nazizeit (passiert ist, Anm. d. Red.): die Zerstörung, dieser Hass, ja auch diese Vernichtung.
Ichgola [00:10:32] Mit der BrutalitĂ€t, mit der junge Menschen schon gegen ganz normal feiernde Leute vorgegangen sind. Gegen uns. Ich hab versucht, hier die TĂŒr zuzuhalten, aber dann waren schon zwei Leute hier an der TĂŒr. Dann habe ich nur die Eisenstange gesehen und den BaseballschlĂ€ger. Dann fing schon an, das Glas um mich rum zu fliegen. Es stank und es war hier vollkommener Nebel. Und die haben sich im Park demonstrativ gegen die Frauen angelegt, haben abgedrĂŒckt. Ohne irgendwelche Hemmungen haben sie auf die Leute praktisch eingehauen. Und es ist schon schlimm, wenn man daran denkt â wir kennen die Nazizeit nicht. Also ich speziell nicht.
Charlotte[00:11:19] Wir wollen ja schlieĂlich auch ein Zeichen setzen fĂŒr Toleranz. Das heiĂt fĂŒr alle, nicht nur fĂŒr die Schwulen und Lesben, sondern letztendlich auch fĂŒr die Heterosexuellen, die ja genauso gern hier willkommen sind. Und es ist eigentlich traurig, dass nun bei den Festen hier PolizeiprĂ€senz anwesend sein muss. Das finde ich ganz traurig. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen. Denn es soll in Zukunft, wie gesagt, toleranter sein. Und dafĂŒr wollen wir auch kĂ€mpfen.
Ichgola [00:11:59] Und ist ja erst wieder offiziell angefangen worden in den spĂ€ten Sechzigern wieder politisch aktiv zu werden, durch die HAW und die AHA, die dann politisch wieder Aktionen machten. Dann ist das SchwuZ entstanden. Dann kam der Film von Rosa (von Praunheim, Anm. d. Red.) "Nicht der Homosexuelle ist pervers" â so lange war da Pause. Ich hab das Thema oft mit 80 angesprochen, wie es ist. Diese Schuld und die sexuelle Freiheiten, so was wie es ist fĂŒr sie gewesen mit der SexualitĂ€t. Und fast alle haben mir gesagt nach jedem Sex haben sie sich schmutzig und schuldig gefĂŒhlt. Mit 80. Und dann habe ich beschlossen, ich mache so viel Sex und so wilden Sex. So viel und so schmutzig kann man sich gar nicht fĂŒhlen. Es geht alles. Das ist ja bei Charlotte auch so gewesen. Sie lebt in der DDR und besetzt einfach ein ganzes Haus, das leer steht, macht daraus ein Museum. Und davor hatte sie ja schon in der Stadt ein Schloss besetzt und da auch FĂŒhrungen gemacht. Also es geht, wenn du es machst.
Charlotte [00:13:28] So, meine Lieben. Jetzt ist aber genug erzĂ€hlt. Damit mein Ortswechsel nicht zu einem Trauerzug wird, möchte ich zum Schluss noch sagen: âDas, wofĂŒr ich in meinem Leben gelebt habe, war euch, den folgenden Generationen, das Leben zu erleichtern. Und natĂŒrlich nicht zu vergessen: mein Haus!
Charlotte (song Farewell) [00:13:54] Haus. Haus! Haus! Mein Haus! Haus! Haus. Haus. Mein Haus! Haus. Haus. Mein Haus! Haus! Haus! Haus! Mein Haus! Haus! Haus. Haus! Haus! Haus! Also, dazu muss ich mal sagen,Tanzt! Tanzt! Also, dazu muss ich mal sagen, Tanzt ! Tanzt! So meine Lieben. Tanzt Tanzt ! Ist das schön. Das ist es, spaĂig, traurig, schön! also, dazu muss ich mal sagen. Tanzt! Und natĂŒrlich nicht zu vergessen, mein Haus. Mein Haus. Mein Haus. Mein Haus. SpaĂig, traurig, schön. So, meine Lieben, auf los geht's Los! Mein Haus. Mein Haus. Haus, Haus. Haus. Haus, Haus. Haus Haus. Haus, Haus, Haus, Haus! So, nun hĂ€tte er mal in die Walze rein.
Charlotte [00:00:30] I just want to say as a preface that this old Mahlsdorf manor house is around 200 years old. It has housed this museum for 30 years now. In 1959, it was a total demolition ruin. I was able to take it over, but there was no water, no heating, no electricity. I installed all these things myself, and (the museum, editor's note) now houses an exhibition of furniture and household items. The so-called GrĂŒnderzeit, approximately from 1880 to 1900. Please feel free to take a look at the rooms.
Ichgola [00:01:21] It is Charlotteâs story that is omnipresent. In the hallway and everywhere, Charlotte is present. So it is not ignored. It is not purely a GrĂŒnderzeit museum, but it is the GrĂŒnderzeit museum of the famous Charlotte von Mahlsdorf.
Charlotte [00:02:00] Over 30 years, I have collected everything here with my two hands, which now makes up the GrĂŒnderzeit museum as a village. And I also live here like a woman at the turn of the century.
Ichgola [00:02:19] Charlotte lived in the past. Charlotte worked in the museum, repairing old devices that no one had a clue about â everything related to works: clocks, musical instruments, and such. I believe she was always open to everyone, even to the community. Even at a time when homosexuality in the East was no longer criminal but still frowned upon.
HIB [00:02:56] It was a partnership problem. But they were not caught. There wasnât what we wanted.
Charlotte [00:03:01] The GDR has the highest suicide rate.
HIB [00:03:04] Very high.
Charlotte [00:03:06] Very high. Yes, yes, I would have killed myself too. But then who would have dusted and wound the clocks?
Ichgola [00:03:18] It also provided her with a point of contact in her life. There were meetings too.
HIB [00:03:24] Yes, the homosexual interest group Berlin (HIB, editor's note), which was founded in 1973, was also looking for rooms at that time, and the magistrate denied us, arguing that we were a category that was not promoted in socialism. And at that time, some time later, we came across Charlotte, who then offered us to set up an advice, information, and cultural center in the basement rooms of her GrĂŒnderzeit museum.
Voice-over [00:03:56] The Spring Ball on May 14, 1977, promises to be good. It begins with sack races and âBumsen.â The latter has nothing to do with the usual pleasure. You have to really control yourself here to score a goal.
HIB [00:04:23] We almost immediately accepted it. These were primarily Sunday events, with literature, lectures â Hubert Fichte, for example â or Charlotte would do something about Magnus Hirschfeld. Or a topic like âHow do I tell my parents?â And of course, the idea was also that these should be places where one could find a partner.
Ichgola [00:04:55] I found it really beautiful, and I felt comfortable in her house. She also saved this pub â the Mulackritze. And the stories about free sexuality! She talked a lot about that. And if you consider â before the Nazi era, there must have been over 150 lesbian bars and around 300 gay bars in Berlin. âQueerâ â the term â was invented much later.
HIB [00:05:32] Cheers! In addition to what we expected most: Charlotte essentially became something like a family. Because we arrived yesterday afternoon â Charlotte, what do you have? âThereâs a socket to be repaired here â wood to be sawn there.â And in the afternoon, we were ready to receive guests, and we set everything up.
Charlotte [00:05:47] Yes, and then we also had a real, nice room where one could dance. Yes, sure. We had the old gramophone here, of course with the hits of the turn of the century.
Ichgola [00:06:08] Great place, and above all, that it has been preserved. After her death, everything could have immediately gone to the basement. The place could have been demolished, a high-rise built, and so on. So, it has been preserved.
HIB [00:06:26] Cheers, cheers!
Ichgola [00:06:32] She didnât play a role. She was a pioneer in many things, and she is very, very delicate and quiet and reserved as a person, yet still strongly dominant. Through this minimalism. She didnât dress up or wear makeup and fancy clothes, but lived as she lived: just with the apron. And I found that admirable.
Charlotte [00:07:08] You know, whether I walk down the street in a skirt and blouse or in pants â itâs the same as the other. The people who see me still know who or what I am.
Ichgola [00:07:25] Through this persistent âI am who I am,â she simply won the fight. Of course, there might still be some hardcore macho guys who say, âthis old, shabby queenâ or something like that. And then there was also something like âher whole life was a lie,â and so on. And I said you all went there. You always wanted to hear stories. She told you some. And I donât care which are true and which are not. But there was also an action because she was supposedly a Stasi informant. And I asked her about it, what nonsense that was. And she said, âYes, they came.â And in later discussions, I always told people, thatâs not something you applied for. If they came and you said, âThank you for the offer, but I donât want it,â you were already in jail. So, you couldnât refuse. I mean, she was lucky that homosexuality was not banned in the GDR. But she exposed herself to great danger. They also tried to get her by accusing her of illegal black market trade. And they didnât succeed either. She then also gave away lots of her things because that was supposed to serve as start-up capital. So, she was tyrannized but survived it all in her apron. She was a very strong fighter. Yes, no one fights such a fight. It was actually a performance for a day. But no, she lived it for years at a stretch.
MĂ€rkisches Museum Director [00:09:30] Colleague Darfelde. You were supposedly seen in womenâs clothes at a party last weekend. Thatâs not true.
Ichgola [00:09:38] Yes, I was wearing a sky-blue dress with borders, a pretty pearl necklace, and a golden blonde wig.
Charlotte [00:09:49] I want to remind you. You work in a municipal institute. Please donât forget that. Otherwise, we will have to consider whether we need to take appropriate consequences.
MĂ€rkisches Museum Director [00:10:00] And what hate has destroyed again! Many gays arenât interested in history at all. And I always say, âYou have to at least go back to Hirschfeld and know the history here in Germany â and feel what happened during the Nazi era: the destruction, the hate, and also the annihilation.
Ichgola [00:10:32] With the brutality with which young people already went against perfectly normal celebrating people. Against us. I tried to hold the door here, but then there were already two people at the door. Then I only saw the iron bar and the baseball bat. Then the glass started flying around me. It stank, and there was complete fog here. And they demonstratively targeted the women in the park, firing shots. Without any hesitation, they practically hit people. And itâs terrible to think about it â we donât know the Nazi era. Not me specifically.
Charlotte [00:11:19] We want to set a sign for tolerance. That means for everyone, not just for gays and lesbians, but ultimately also for heterosexuals, who are just as welcome here. And itâs really sad that now police presence has to be at the festivals here. I find that very sad. But we wonât be discouraged. Because in the future, it should be, as said, more tolerant. And we want to fight for that.
Ichgola [00:11:59] And it only started again officially in the late sixties to become politically active again, through HAW and AHA, who then politically took action again. Then the SchwuZ was created. Then came Rosaâs (von Praunheim, editorâs note) film âIt Is Not the Homosexual Who Is Perverse.â There was such a long pause. I have often brought up the topic in the eighties, how it is. This guilt and sexual freedoms, how it was with sexuality. And almost everyone told me after every sex, they felt dirty and guilty. At eighty. And then I decided, I will have as much sex and as wild sex. You canât feel that dirty. Everything goes. It was the same with Charlotte. She lives in the GDR and simply occupies a whole house that is vacant, turns it into a museum. And before that, she had already occupied a castle in the city and gave tours there too. So, it works if you do it.
Charlotte [00:13:28] So, my dears. Enough has been said. So that my move doesnât become a funeral procession, I want to say at the end: âWhat I have lived for was to make life easier for you, the following generations. And, of course, not to forget: my house!
Charlotte (song Farewell) [00:13:54] House. House! House! My house! House! House. House. My house! House. House. My house! House! House! House! My house! House! House. House! House! House! So, I must say, dance! Dance! So, I must say, dance! Dance! So, my dears. Dance Dance! Is that nice. Thatâs it, fun, sad, beautiful! So, I must say, dance! And of course, not to forget, my house. My house. My house. My house. Fun, sad, beautiful. So, my dears, on your marks, get set, go! My house. My house. House, house. House. House, house. House House. House, house, house, house! So, now letâs get into the roller.
Charlotte von Mahlsdorf was the funder and director of the GrunderzeitMuseum frim 1960 to 1995. She self-narrated in films, books, and theater productions the difficulties she confronted while being a public figure running an historical museum as a transvestite (the term she prefered to define herself) during the nazi time, socialism, up to german reunification.
Ichgola Androgyn first impersonated Charlotte in 1992 in the film âIch bin meine Eigene Frauâ by Rosa von Praunheim. Ichgola participates since then in activities in and out the Grunderzeitmuseum in Mahlsdorf brining back the soul of Charlotte and reivindicating queer spaces in berlin, such as the Theater O-TonArt or the finovo queer cafĂš in the St.-MatthĂ€us-Kirchhof cemetery.